Barcelona ohne Gaudí, das ist wie Pyrenäen ohne Berge. Kaum ein Besucher, der nicht die einzigartigen Werke des Architekten in der Metropole abklappert. Doch längst nicht alle wissen, dass er in der Jugendstilstadt Reus nahe Tarragona geboren wurde und hier entscheidende Anregungen bekam. Dem Genie begegnet man auf Schritt und Tritt, wenn man sich auf die Gaudí-Route begibt. Stationen sind sein Geburtshaus im Carrer de Sant Vicenç 4, wo er 1852 geboren wurde und einen Teil seiner Jugend verbrachte. Gleich um die Ecke erinnert eine Skulptur von Artur Aldomà Gaudí nen an den jungen Gaudí. An der Plaça Sant Pere steht auch die Kirche, in der er getauft wurde – ihr Turm soll ihn zu einer Treppe der Sagrada Família inspiriert haben. Geprägt haben ihn außerdem der Schulbesuch im ehemaligen Franziskanerkloster im Carrer Misericordia und das Santuari de Misericordia, ein Heiligtum der Stadtheiligen, der er besonders huldigte. Welche Bedeutung Reus auf das Genie sonst noch hatte, ist im Gaudí Centre an der Plaça Mercadal zu erfahren, wo einem Videos, Zeichnungen, Architekturmodelle und persönliche Gegenstände in Leben und Werk Gaudís nahe bringen.
Doch auch andere Künstler entstammen der Gegend oder haben sich hier betätigt – wie zum Beispiel Antoni Miró in Mont-roig. Nicht weit von Reus entfernt liegt das hübsche Dorf an der Costa Daurada, dessen Licht und mediterranes Lebensgefühl den Maler begeisterten. „Mein ganzes Werk habe ich von Mont-Roig aus angelegt“, erklärte er rückwirkend. Nachdem er 1911 zum ersten Mal hierher gekommen war, suchte er sich in den 1940er Jahren nach einem Atelier um, in dem er nicht nur malen, sondern sich auch der Bildhauerei und Keramik widmen konnte. Hier, im Mas Miró, entstanden die Gemälde, auf denen er Strände, Brücken oder „das Haus mit der Palme“ verewigte. Und jenes Bauernhaus – „La Masía“ –, das später Hemingway erwarb. Neben der Ruta Miró gibt auch das Miró Centre im Carrer Major 2 Aufschluss.
Ein anderes Dorf, Horta de Sant Joan, ist wiederum aus dem Werk Picassos nicht wegzudenken. „Alles, was ich kann, habe ich in Horta gelernt“, sagte der Maler aus Málaga. Und wer sich auf den Weg in den entlegenen Gebirgsort im Süden Kataloniens macht, kann den gedanklichen Schritt von der verschachtelten Häuseransammlung zum Kubismus nachvollziehen. Zweimal weilte Picasso hier. Nachdem er als Jugendlicher mit einem Freund 1898 in das Gebirge Els Ports kam, um eine Lungenkrankheit auszukurieren – wobei ihm Dorf und Landschaft sogleich einen kreativen Schub versetzten -, arbeitete er sich 1909 erneut an ihnen ab. Das Ergebnis lässt sich im Centre Picasso begutachten, wo viele Bilder in Faksimiles hängen. Rundum sind dann auch die Häuser, Höhlen und Berge zu entdecken, die für einige seiner Werke Modell standen.
Doch führt die Route der Genies nicht nur auf die Spuren von bildenden Künstlern. Die Gegend südlich von Barcelona hat auch den Musiker Pau Casals hervorgebracht, der 1876 in einem Weindorf nahe der Küste geboren wurde. „Glücklicherweise hat mich bei all den Reisen, die ich in ferne Länder gemacht habe, nie das Kind aus Vendrell verlassen“, soll Spaniens berühmtester Cellist gesagt haben. In der Vil.la Museu Pau Casal erfährt man, wie aus dem Kind der Komponist der Hymne der Vereinten Nationen wurde und dass er außerdem während der Francozeit im Exil so entschieden für Freiheit und Frieden eintrat, dass er 1971 mit der Friedensmedaille der UNO geehrt wurde. Bei dem Festakt interpretierte er – zum Ärger des Franco-Regimes – auch das wunderschöne, katalanische Volkslied El Cant dels Ocells – der Gesang der Vögel. Das erklingt nicht zuletzt beim alljährlich stattfindenden Festival Internacional de Música, das – ebenso wie das Auditorium, der Konzertpalast von El Vendrell – nach Pau Casals benannt ist.